Stellungnahme DIE LINKE zu den "Wir nehmen euch den Platz!"-Versammlungen

Zunächst einmal wollen wir allen danken, die sich angeschlossen, mit organisiert oder auf den Versammlungen gesprochen haben. Zusammen haben wir es geschafft, mit zuletzt 170 Personen die Koordination der „Spaziergänger*innen“ zu behindern, ihren Aufmarsch, zumindest zeitweise, aus der Innenstadt raus zu halten und den Fokus auf einen Umgang mit dieser Pandemie zu richten, der aufeinander achtet und einander schützt .

 

Unterm Strich stellt sich die Lage so dar, dass wir zwar für eine von Linken organisierte Versammlung recht viele Menschen aus der breiten Bevölkerung mobilisieren konnten, sich diese Breite aber nicht in der Unterstützung ziviler Organisationen oder Parteien niederschlägt. Es ist nicht unsere Absicht, diesen Protest anzuführen, wir erwarten ein breites Bündnis, das zusammen organisiert und plant. Als einzelne Partei können wir aber keine Versammlung auf die Beine stellen, die der politischen Breite der Teilnehmenden gerecht wird. Gerade bei der letzten Versammlung wurde das sehr deutlich. Zwar fanden sich Redner*innen und Helfende anderer Parteien, diese beschränkten sich aber auf Einzelpersonen (dennoch aufrichtig vielen Dank, insbesondere an Timo Müller und Kerstin Meinhardt von den Grünen, sowie Marius Weiß (SPD)) oder nutzten die Bühne, um im Prinzip gegen unseren Protest zu sprechen (ULI). Als einzige Organisationen unterstützen Pax Christi und das Idsteiner Friedensbündnis unsere Versammlung.

Während sich die Verbände von SPD und Grünen einfach nur nicht anschlossen, entschieden sich FDP und CDU für einen anderen Weg. Meistens mit Maske, ab und an auch ohne, stand die FDP am Rande der Demo mit einem Schild "Miteinander Reden statt gegeneinander Demonstrieren". Wir erinnern daran: Diese „Spaziergänge“ werden aus Telegramgruppen herausorganisiert, Leitmotiv der treibenden Kräfte sind auch antisemitische Verschwörungserzählungen. Verbreitet werden sie unter anderem über Kanäle von Neonazi-Parteien, wie der NPD und des III. Wegs. Auch die FDP kann sich diese allgemein zugänglichen Informationen  ansehen. 

Aber laufen dort nur überzeugte Antisemiten rum? Sicher nicht. Es ist aber so gut wie unmöglich, von diesen organisierten unangemeldeten Versammlungen zu erfahren, ohne mit diesen Theorien in Kontakt zu kommen. Und während das Idsteiner Rathaus anlässlich der Befreiung von Auschwitz mit „ #WeRemember“ bestrahlt wird, steht die FDP daneben und ruft zum Dialog mit eben jenen Kräften auf. Trotzdem haben wir die FDP noch nie montags in der Stadt stehen sehen, um diese Menschen zu erreichen. Wir haben sie nur genau einmal montags in diesem Kontext gesehen: auf unserer Versammlung. Bitte, FDP, folgt eurem eigenen Rat und begebt euch in den Dialog, wenn ihr das wollt. Bis ihr selbst aktiv werdet, ist das jedoch nur Besserwisserei. 

Apropos Besserwisserei: Die CDU empfiehlt, lieber dezentral in die Stadt zu gehen und sich tatsächlich körperlich in den Weg zu stellen, was nicht zu mehr Infektionsschutz, sondern zu mehr unangemeldeten Versammlungen geführt hätte, mit erheblichem Eskalationspotenzial.

Trotzdem, auch diese Idee hätte die CDU in die Organisation einbringen können, hätte sie sich beteiligt. Aber ratet mal: Auch die CDU ist bisher montags nicht in Erscheinung getreten, sondern verurteilt nur jene, die etwas dagegen tun wollen, dass antisemitisches Gedankengut samt Viren durch die Idsteiner Altstadt getragen werden.

Zuletzt sei gesagt, dass es sich montags nicht um zwei konkurrierende Veranstaltungen handelt. Es gibt eine angemeldete Versammlung für gegenseitige Rücksichtnahme unter Hygieneauflagen und eine geplante, aber unangemeldete Versammlung, die auf Grund der Tatsache, dass zu ihr aufgerufen wird, ohne sie anzumelden, nicht unter das Versammlungsgesetz und schon gar nicht unter den Schutz der Versammlungsfreiheit des Grundgesetzes fällt. Von der Missachtung allgemeiner pandemisch sinnvoller Maßnahmen mal ganz zu schweigen.

Langer Rede kurzer Sinn: Wir als Linke werden keine weiteren Versammlungen mehr anmelden. Wir machen das alle ehrenamtlich neben Vollzeitjob, teilweise Nebenjob und Kindern und werden uns diesen politischen Kindergarten nicht geben. Wir sind froh, dass sich für die weiteren Montage Menschen außerhalb unserer Partei gefunden haben, die den Protest weiterführen. So organisiert Idstein bleibt bunt am kommenden Montag (31.01.2022) eine Versammlung "Solidarität statt "Spaziergänge" und 17:45 auf dem König-Adiolf-Platz, auf der die Idsteiner Erklungen verlesen wird, die auch wir mittragen. Hier könnt ihr euch der idsteiner Erklärung anschließen: https://chng.it/J4rgC5B7

Wir werden weitere Versammlungen gerne unterstützen, Ordner*innen stellen und beraten. Vielleicht entfallen in der Folge auch die Blockaden der anderen Parteien.